Innenminister Joachim Herrmann, der für Wahlrecht und Verfassungsrecht in Bayern zuständig ist, hat die heute vom Bundestag beschlossene Wahlrechtsreform als "klar verfassungswidrig" bezeichnet. "Eine Klage gegen das neue Bundeswahlrecht vor dem Bundesverfassungsgericht ist nach Inkrafttreten unausweichlich", betonte Herrmann. "Die Regierungsfraktionen im Bundestag zeigen ein erschreckendes Demokratieverständnis und missachten den Wählerwillen", kritisierte Herrmann. Die Wahlrechtsänderungen untergraben die wichtige regionale Verwurzelung und zeigen keinen Respekt vor dem Engagement und die Überzeugungskraft erfolgreicher Direktkandidaten in den Wahlkreisen. "Vor allem aber beschädigen sie damit grundlegend das Vertrauen und die Akzeptanz von Bundestagswahlen", ist Herrmann überzeugt.
Der Minister befürchtet eine zunehmende Politikverdrossenheit gerade in den Wahlkreisen, bei denen Direktkandidaten mit einer Mehrheit dann keinen Sitz im Bundestag erhalten können, weil eine Deckung mit dem Zweitstimmenergebnis der Partei nicht gegeben ist. "Verwaiste Wahlkreise ohne einen örtlich verankerten Bundestagsabgeordneten wären die Folge", warnte Herrmann. Mit dem Wegfall der Grundmandatsklausel werde das Problem verwaister Wahlkreise noch deutlich verschärft. Eine Partei, die bundesweit die Fünf-Prozent-Klausel nicht überschreitet, würde selbst dann nicht in den Bundestag einziehen, wenn sie alle Wahlkreise in einem Bundesland gewinnt. "Dies widerspricht eklatant einer föderal ausgewogenen Vertretung im Bundestag", stellte Herrmann fest. "Dadurch fehlt den Bürgern ihr örtlicher Ansprechpartner im Bundestag, der sich für ihre Sorgen und Nöte einsetzt, ein Unding", erklärte Herrmann.